Nach langem Umbau der ehemaligen Papierfabrik in Scheer, wurde das Faust-Studio endlich eröffnet. Der Name „Faust Studio“ rührt von der legendären Krautrockband FAUST, die in der Szene weltweit Kultstatus genießt. Um die Studioeröffnung gebührend zu feiern, sollte auf dem Gelände neben dem Studio ein dreitägiges Open Air statt finden.
Dank Mischer Jürgen waren wir ebenfalls mit von der Partie und hatten die Ehre, das Festival am Freitag zu eröffnen. „Ehre“ ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen, denn wir waren die einzige Newcomerband aus der Umgebung. Die restlichen Interpreten hatten Rang und Namen und kamen aus ganz Europa. Allerdings kannten wir nicht eine einzige Band, da sich deren Bekanntheitsgrad meist auf eine eingefleischte Szene beschränkte. Jedenfalls waren wir im Vorfeld sehr gespannt, was uns erwartet. Der Flyer des Opening Festivals klang ebenso vielversprechend wie nichtssagend. Zum Beispiel: „OLE LUKKOYE aus St. Petersburg verschmilzt traditionelle russische Stile mit westlichen Rhythmen zu einem schamanistischen Psychedelic-Trance-Rock“. Alles klar, oder?? 🙂
So kam es also, dass ein gespannter Jojo, ein gespannter Nippel und ein gespannter Sédon an besagtem Freitag nach Scheer kurvten. Der Weg zum Studio war ausgeschildert. Das Festivalgelände lag sehr idyllisch und war äußerst liebvoll dekoriert: Im Eingansbereich hingen weiße Fetzen vom Himmel, die Biertischgarnituren wurden von Gladiolen in allen erdenklichen Farben geziert und auch sonst war alles schön hergerichtet. Ein „chilliges“ Zelt, das überall mit Teppichen ausgehängt war, ließ uns die Konsumgepflogenheiten einzelner Festivalbesucher erahnen…
Wir begrüßten zunächst Mischer Jürgen und seine bessere Hälfte. Immerhin zwei bekannte Gesichter! Allerdings sah das Gesicht von Jürgen nicht sehr zufrieden aus: Er hatte sich am Vortag beim Equipment schleppen einen Nerv eingeklemmt, was bekanntlich sehr schmerzhaft sein kann. Seine Freundin hatte ihn sogar an- und auskleiden müssen, was sie zum einen gern für ihn tat, was aber zum anderen ein unangenehmes Abhängigkeitsgefühl bei Jürgen bewirkte: „I komm mr vor wia an alda Nene!!“ Tja, da hat man’s mal wieder: Erst über die Zivis von DJ OSSI lachen und dann selber solche Dienste in Anspruch nehmen… 🙂
Nach längerem Rumgeschäker kam dann aber doch der Ernst des Lebens zurück: Jürgen schleppte sich hinters Mischpult, während wir ihn abwechselnd mit unseren Instrumenten bzw. mit unserem Gesang verzauberten. Zu guter Letzt wurden noch die Monitore eingestellt (Jürgen: „Han i des grad richtig ghert? Dr Done will echt d’Gitarre auf seim Monitor leisr???“).
Nach dem Soundcheck genossen wir die chillige Atmosphäre und nahmen zur Kenntnis, dass leider kaum Leute kamen. Die wenigen Anwesenden waren großteils Vertreter des alternativen Lebensstils (also mit Boscha und so). Das SUMO-Dilemma schien in die zweite Runde zu gehen: Immer dann, wann ne hammergeile Anlage dasteht und das Ambiente stimmt, kommen keine Leute. Nun gut – der Vergleich mit der SUMO ist vielleicht doch ein bisschen weit hergeholt. Immerhin sollten hier Bands mit Weltruf auftreten! Und da wir keine davon waren, war es auch nicht weiter schlimm, dass wenig Interesse an uns bestand…
Um kurz nach 19.00 Uhr legten wir mit „Show For Me“ los und siehe da: Einige der übers Festivalgelände verteilten Leute zeigten dann doch reges Interesse und begaben sich vor die Bühne. Neben Änsge und Carina waren unter anderem Holger und Fribbe am Start. Später sollten noch ein paar Vertreter der Partei GUNFIRE hinzukommen. Leider konnten wir bereits unseren ersten Song nicht ganz zu Ende spielen, da plötzlich der Strom ausfiel. Verwundert schauten wir zum Mischpult, wo ebenso verwunderte Gesichter zurückblickten. Nach kurzer Zeit war der Fehler behoben und es konnte weitergehen. Allerdings nicht lange. Der Strom sollte während unserem Gig noch mehrere Mal ausfallen. Doch trotz allem waren wir zufrieden, denn den wenigen Anwesenden schien unser Sound zu gefallen. Der Applaus nach unseren Stücken (bzw. bei jedem Stromausfall) war überaus üppig, wenn man mal bedenkt, wie wenig Hände ihn fabrizierten…
Im Anschluss an unseren Gig machten wir Bekanntschaft mit Faust-Mitglied und Studio-Chef Hans Joachim Irmler. Kurz darauf vercheckten wir ein paar CDs und erfüllten grinsend die Wünsche ein paar kleiner Mädchen: „Könnte ich vielleicht ein Autogramm von IHNEN bekommen??“ 🙂
Man drehte seine Runden unterhielt sich mit verschiedenen Leuten. Nippel wurde von einem Journalist von „Trust“ (??) angesprochen und redete ne ganze Weile mit ihm. Er wollte eine CD haben, um eine Kritik darüber zu schreiben. Wir sind gespannt…
Jojo und Sédon gesellten sich derweil mit ihren Mädels zu Holger und Jürgen an einen der Biertische. Nippel kam später hinzu. Man holte sich zu trinken und unterhielt sich über Gott und die Welt. Vor allem Holger zeigte sich an diesem Tag äußerst gesprächig – zeitweise hatte man das Gefühl, er wolle dem Teufel ein Ohr wegschwätzen („Iddaaaa!“, „Beim Jürgen wett i it drbei sei, wenn am Obad s’Liacht ausgoht!“). Im Hintergrund spielte bereits die nächste Band, wobei auch bei denen immer wieder der Saft wegblieb.
Irgendwann beschloss Jürgen, uns eine kleine Führung durch’s brandneue Faust Studio zu geben. Wir verließen also das Gelände und begutachteten das geräumige Studio, wo wir bereits am nächsten Morgen einen Sektempfang mit Musik untermalen sollten.
Nach der Führung fuhren wir nach Bad Saulgau. Freundlicherweise schloss Holger noch mitten in der Nacht den Musikmarkt auf, da Nippel neue Saiten für seine Akustik-Gitarre brauchte. Danach ging’s nach Hause.
Für einen etwas anderen Coleslaw-Abend bedanken wir uns bei: Jürgen, Hans Joachim Irmler, Cornelia Paul und den anderen Festival-Organisatoren, Holger, Fribbe, den freundlichen Mädels am Ausschank und bei allen Besuchern.