27.09.2004

TOUR DIARY – 25.09.04 | CALW, Dudelsack, Kneipennacht

Wer hätte gedacht, dass wir hellseherische Fähigkeiten haben?? Wir jedenfalls nicht. Und im Zusammenhang mit der Kneipennacht in Calw hätten wir auf diese Erkenntnis gut und gerne verzichten können…

Da wir zu dieser Kneipennacht unsere Anlage aus dem Bandraum mitnehmen mussten, brauchten wir mal wieder nen Bus. Woher nehmen und nicht stehlen?? Wir fragten einfach Gaisi, der uns bereitwillig seinen Afri-Cola-Bus zur Verfügung stellte. Bereits im Rahmen der Dreharbeiten zum Video-Clip von „Exhausted“ waren wir des öfteren mit seinem Gefährt unterwegs gewesen.

Einige Tage vor der Calwer Kneipennacht unterhielten wir uns in der Band mehrmals über Versicherungsfragen. Vor allem Nippel war es, der immer wieder die Frage einwarf: „Was ist, wenn uns mit dem Bus mal was passiert??“ Auch mit Gaisi sprach man darüber. Und nicht nur das: Man sah sich sogar nach Alternativen um: Sédons Anhänger war beispielsweise im Gespräch. Oder auch die Autovermietung Heinzelmann. Wir beschlossen nach Calw nochmals mit Gaisis Bus zu fahren. Danach wollten wir uns eine Lösung überlegen.

So trafen wir uns also am 25. September gegen 14.30 Uhr vor dem Stinnes und luden unser Equipment in den Bus. Ausnahmsweise waren wir wirklich nur zu dritt. Keine Helfer. Keine Frauen. Nur Jojo, Nippel und Sédon. Nach einer halben Stunde ging’s los.

In Balingen passierte dann das, was passieren musste: Busfahrer Jojo sah sich mit den Worten: „Wo goht’s na??“ nach Verkehrsschildern um. Einige Meter vor uns war eine Ampel. Und die war grün! Unglücklicherweise wechselte ein BMW gerade die Spur. Der Mercedes dahinter musste stark bremsen und hielt an. Als wir drei die Situation erkannten war’s schon zu spät. Jojo stieg zwar voll in die Eisen, doch aufgrund der nassen Fahrbahn und unserer schweren Ladung reichte es nicht mehr: Wir rutschten mehrere Meter und krachten dem Mercedes voll ins Heck. Noch bevor wir ausstiegen, versuchte Sédon den fluchenden Jojo zu beruhigen. Danach gingen wir zum Mercedes und sagten erst mal „Hallo“. Erleichtert nahmen wir zur Kenntnis, dass der Familie nix passiert war. Die zwei kleinen Kinder auf dem Rücksitz hatten sich zwar ziemlich erschrocken, doch als ihnen ihre Mutter gut zuredete, beruhigten sie sich relativ schnell wieder. Wir unterhielten uns in erster Linie mit dem freundlichen Familienvater und mit den beiden Insassen des BMWs, die ebenfalls hinzu gekommen waren.

Der Rest war dann Standard. Polizei und so. Glücklicherweise waren die Beamten sehr nett und verständnisvoll. Und das obwohl Jojo seinen Führerschein nicht bei sich hatte. Wir klärten was zu klären war und waren froh, als uns die Beamten grünes Licht zur Weiterfahrt gaben. So kamen wir also mit einer knappen Stunde Verspätung doch noch nach Calw.

Der „Dudelsack“ war eine heimelige Kneipe mit einer kleinen Bühne am hinteren Ende und einer großen Rundum-Bar in der Mitte. Obwohl wir bekanntlich nur zu dritt sind, war’s selbst für uns ziemlich eng auf dieser Bühne. Während wir aufbauten unterhielten uns immer wieder mit dem netten Dudelsack-Chef und seiner nicht weniger netten Belegschaft. Fast alle (auch der Chef) sprachen einen osteuropäischen Akzent. Aus welchem Land sie kamen, erfuhren wir im Laufe des Abends nicht. Jedenfalls scheint Gastfreundschaft dort wichtig zu sein, denn wir wurden sehr liebevoll umsorgt. Um halb acht gab’s sogar was zu essen (Pommes mit Gyros und Soße). Herrlich! 🙂

Mit vollem Magen musizierten wir gegen 20.15 Uhr munter drauf los. Anfangs taten wir uns schwer, das Publikum auf unsere Seite zu ziehen. Fast während unserem gesamten Unplugged-Set war der Lärmpegel im Gasthaus enorm hoch. Kaum jemand schien Interesse an uns zu haben.

Nach knapp anderthalb Stunden probierten wir’s dann mit „Gewalt“ und stöpselten E-Gitarre und E-Bass ein – und siehe da: Die Leute bemerkten auf einmal, dass eine Band spielt! Je später die Stunde, desto ausgelassener Wurde das Publikum. Vor der Bühne bewegte man sich zum Sound. Speziell unsere Bekannten aus Nagold, die uns mal wieder nachgefahren waren, hatten ihre helle Freude und sangen sogar bei unseren eigenen Songs mit!

Ungefähr jede Stunde legten wir eine kleine Pause ein. Die enorme Hitze im Dudelsack war schier nicht zu ertragen. Einmal fing eine Frau an zu maulen: „Jetzt bin grad seit fünf Minuten da – und ihr macht schon Pause!“ Jojo meinte: „Mag sein, aber wir spielen schon seit ner Stunde!“ Frau: „Aber das ist es jetzt schon die dritte Kneipe, wo das so läuft!“ Blablabla… Als die Gute dann irgendwann unverschämt wurde, meinten Jojo und der dazu gekommene Nippel praktisch gleichzeitig: „Dann haben Sie halt Pech gehabt!“ und begaben sich nach draußen an die frische Luft.

Vor der Eingangstür des Dudelsack war’s recht kurzweilig. Entweder wir unterhielten uns mit dem netten Kerl, der Eintrittsbändel sowie unsere CDs vercheckte oder mit irgendwelchen Passanten. Witzig war, als ein vor Schweiß dampfender Sédon vor der Tür sein Cola-Weizen schlürfte und einer zu ihm sagte: „Lass mich raten: Schlagzeuger??“ Manche kannten uns aus dem Programmheft der Kneipennacht. Andere wiederum fragten uns: „Wer spielt da drin??“

Die Tatsache, dass man bei einer Kneipennacht in einer fremden Stadt meist nicht erkannt wird, ist äußerst spaßig und oft auch aufschlussreich: Es ist natürlich schön, wenn man irgendwo vorbei läuft und ein Gast sagt zu einem anderen: „Hey, die im Dudelsack sind echt gut!“ Als wir so im Dudelsack unsere Runden drehten war auch manchmal folgendes zu hören: „Jetzt machen die schon wieder Pause!“ Darauf hin meinte Nippel zu seinen Kollegen: „Jo, echt wohr. Solche Wichser! Immer Pause!!“ Keine Ahnung, ob der Betreffende das verstanden hat. Blöd geschaut hat er jedenfalls… 🙂

Zwischen unseren Pausen machten wir auch ab und zu Musik. Und zwar bis spät in die Nacht. Erst gegen 1.00 Uhr war Schluss mit Sound. Die meisten Leute dachten jedoch gar nicht daran heim zu gehen. Das Abbauen im noch immer rammelvollen Dudelsack praktisch unmöglich. So unterhielten wir uns halt mit allen möglichen Leuten. Oder wir unterhielten uns mit uns selber. Coleslaw kann sich ziemlich lange selbst unterhalten. Jeder, der uns näher kennt, weiß auch, was nach der Musik unsere Lieblingsbeschäftigung in der Band ist: Leute imitieren! An diesem Tag war vor allem Done recht fit. Jojo und Nippel lachten des öfteren Tränen, als er mal wieder… ach, ihr würdet es eh nicht verstehen! 🙂

Nach einiger Zeit konnten wir dann mit dem Abbauen beginnen. Wir zwängten unser Zeug durch die Leute und freuten uns jedes Mal, wenn einer von der Dudelsack-Belegschaft kam und uns den Weg frei bahnte. Während dem Abbauen unterhielten wir uns mit den Nagoldern, die mal wieder den ganzen Abend bei uns geblieben waren.

Als endlich alles im Bus war, tranken wir noch einen mit dem Dudelsack-Chef und seiner Belegschaft. Während es Jojo und Nippel bei Antialk beließen, kippte Sédon sein gutes altes „Zäpfle“. Der Chef war sehr gesprächig und interessiert. Als er irgendwann von einer Kalaschnikow erzählte, meinte sein Nebensitzer: „Der Chef hat ne große Klappe und nix dahinter. Der (und er deutete mit dem Zeigefinger auf einen seiner Kollegen, welcher sehr schweigsam war) sagt nie ein Wort, aber der besorgt dir eine!!“ Wir mussten ziemlich lachen. Vor allem, weil die Reaktion des schweigsamen Kollegen nicht etwa aus Widerspruch, sondern lediglich aus einem coolen Grinsen bestand… 🙂

Gegen 3.00 Uhr verabschiedeten wir uns. Wir schauten noch kurz auf der After-Show-Party in einer Sporthalle vorbei, wo auch die Nagolder waren. Auch zu denen sagten wir noch „Tschüss“. Danach fuhren wir mit Gaisis lädiertem Bus gen Heimat. Wieder war Jojo am Steuer. Sédon und Nippel versprachen wach zu bleiben. Sédons Versprechen verwandelte sich bereits nach wenigen Minuten in eine Lüge. Anfangs versuchte Nippel noch, ihn mit einer Mineralwasserflasche wach zu halten. Irgendwann ließ er ihn dann aber schlafen und freute sich jedes Mal, wenn sein Kopf noch vorne knippte. Jojo und Nippel unterhielten sich über die Geschehnisse des Tages und versuchten sich mit METALLICA wach zu halten, während der Bus durchs Regenwetter brauste.

Wie drei Steine fielen wir zu Hause ins Bett. Sédon pennte bis um dreiviertel zwei. Nippel wurde um kurz nach eins von Jojos Anruf geweckt: „Hey Nippel, ich hab grad bei dem Polizist von gestern angerufen, wegen meinem Führerschein. Der war voll cool drauf und hat sich für Coleslaw interessiert. Ich schick ihm ne CD…“

Wir danken: Unserem Schutzengel, der freundlichen Familie aus dem Mercedes, den freundlichen Insassen aus dem BMW und den freundlichen Polizisten für ihr Verständnis, Gaisi für seinen Bus und seine Coolness, dem Chef und der gesamten Dudelsack-Belegschaft für ihre Gastfreundschaft, den Nagoldern für ihre Treue und unserem CD-Verkäufer für seine Hilfe.

Fazit des Tages: „Heit isch dr Loh scho na ganga, en da Minus nei!“