„In Bad Saulgau ist doch eh nix los.“
Diesen Satz hört man nicht selten von Jugendlichen. Nun, wenn man von der recht üppigen Kneipen- und Cafélandschaft und vom Bächtlefest absieht, haben sie damit nicht ganz Unrecht. Gemessen an der Größe Bad Saulgaus sind Partys und Zeltfeste eher Mangelware. Viele benachbarte Dörfer oder kleinere Städte haben in der Hinsicht für Jugendliche mehr zu bieten. Die Betonung liegt auf „für Jugendliche“, denn ältere Generationen oder ganze Familien sind in Bad Saulgau mit Sicherheit bestens bedient, was Kultur und Events anbelangt.
Ausgerechnet in dieser Stadt haben wir vor einigen Jahren eine Rockband gegründet. Obwohl (oder vielleicht auch gerade weil) in Bad Saulgau „nix los“ war, lief die Sache mühelos an. Unsere Konzerte waren von Anfang an fast ausnahmslos sehr gut besucht. Wir dachten uns: Wenn die Leute unsere Musik gerne hören, dann haben sie bestimmt auch nix gegen andere Rockbands! So kam es, dass wir in Bad Saulgau begannen, Festivals zu veranstalten. „Wir“ sind in dem Fall nicht nur Jojo, Nippel und Sédon, sondern auch eine ganze Reihe anderer Leute, doch dazu später mehr. Die Festivals liefen ebenfalls gut. Zu den Highlights zählen bisher mit Sicherheit das Video Release Festival 2004, das Altstadt Festival 2005 sowie unsere Album Release 2006. Es darf ruhig noch ein bisschen mehr sein, dachten wir uns Mitte 2006, als wir mit den Vorbereitungen zu einem Indoor-Festival im Stadtforum begannen, welches am 29. Dezember 2006 stattfinden sollte…
Nun, wir wollen euch nicht unnötig langweilen, indem wir euch die komplette Vorbereitungsarbeit in allen Details schildern. Daher möchten wir euch in diesem Abschnitt nur ein groben Überblick geben (wer sich nur für das Festival an sich und nicht für die Organisation interessiert, kann diesen Abschnitt getrost überspringen): Jojo nahm als Hauptorganisator von Anfang an die Fäden in die Hand und kümmerte sich zunächst ums Stadtforum sowie ums Band-Booking. Nach einiger Zeit stand mit COLESLAW, LAZURIGHT, 5BUGS und ITCHY POOPZKID das Line-Up fest. Jürgen sorgte bereits im Vorfeld dafür, dass wir eine fette PA-Anlage zur Verfügung hatten. Nippel hatte irgendwann die Idee, das Ganze „Slush Festival“ zu nennen. Im Sommer machte sich in erster Linie er, aber auch Jojo, auf Sponsorensuche. Als der Festivalname und die Sponsoren feststanden, entwarf Thimo Flyer und Plakate, welche nach der Fertigstellung sofort in Druck gingen. Holger stellte derweil eine Slush Festival-Homepage ins Netz, um deren Inhalte sich fortan Jojo kümmerte. Beim Flyer verteilen und Plakate aufhängen waren alle tatkräftig beteiligt. Jojo versorgte die Presse mit wichtigen Informationen und kümmerte sich um den Vorverkauf. Dank viel Werbung lief letzterer enorm gut. Als das Festival in greifbare Nähe rückte, buchte Nippel 15 Betten in einem Bad Saulgauer Internat, wo die Bands untergebracht werden sollten. Nadja stellte eine Catering-Liste zusammen. Jürgen machte sich über den Anlagen-Transport Gedanken. Einen Tag vor dem Festival hatten wir die unglaubliche Zahl von 500 Vorverkaufskarten unter die Leute gebracht. Aus diesem Grund verlegten wir das Slush Festival kurzentschlossen in den großen Saal des Stadtforums, da wir im kleinen Saal bereits mit dem Vorverkauf an die Kapazitätsgrenzen gestoßen waren. Mit diesem beruhigendenden Gedanken im Hinterkopf begannen wir mit den Aufbauarbeiten. Unter der Regie von Jojo zogen alle an einem Strang. Was die technische Seite anbelangt, sorgte Jürgen für die Koordination. Vom MIDNIGHT SPECIAL-LKW wurde ein Traversensystem samt PA- und Lichtanlage angeliefert. Ein Mitglied der MIDNIGHT SPECIAL-Crew, Flori Reisch und Jürgen bauten alles auf. Getsch, Jojo, Nippel, Stefan und vor allem Sédon packten kräftig mit an. Alexandra bereitete eine Verlosungsaktion vor. Olli Schäfer vom Stadtforum machte freiwillig Überstunden und überprüfte, ob der Bühnenaufbau auch in allen Belangen den Sicherheitsvorgaben entsprach. Backline und FOH wurden mit einem Bus, den wir von Gärtnermeister Dieter Braun geliehen hatten, angekarrt und ebenfalls gemeinsam aufgebaut. Am Tag des Slush Festivals besorgte Sédon am frühen Morgen Absperrgitter für die Bühne. Stefan, Alexandra, Moni und Nippel überzogen die Betten im Internat. Im Stadtforum richtete Nadja mit Hilfe von Moni und Alexandra den Backstage- und Cateringbereich her – zum großen Teil mit selbst gemachten Salaten. Jojo steuerte Snacks wie Schokoriegel und Obst bei. Gaisi und Manne versorgten den Backstagebereich mit Getränken und ließen gegen Abend Spätzle mit Geschnetzeltem von einem Party-Service kommen. Gaisis Crew errichtete im Saal eine Theke und übernahm den Ausschank. Stefan und Jojo hängten im ganzen Gebäude verschiedene Hinweis-Schilder auf. Jürgen und Thimo arbeiteten während den Soundchecks am FOH. Um 17.45 wurden die Pforten geöffnet. Stefan, Alexandra, Moni, Thomas Friedrich, Jojo und Nippel versuchten die wartenden Leute so schnell wie möglich abzufertigen. Trotzdem bildete sich eine lange Menschenschlange. Jonne und Stefan W. fungierten als Türsteher. Im Großen und Ganzen klappte der Einlass reibungslos. Trotzdem musste immer mal wieder diskutiert werden, weil der ein oder andere Konzertgänger die Einlassbedingungen nicht erfüllte. Wer sich jetzt angesprochen fühlt: Bitte informiert euch künftig im Vorfeld, was es zu beachten gilt! Ihr erspart uns und euch eine Menge Ärger…
Um 18.40 Uhr wurden Nippel und Jojo von Holger abgelöst und konnten sich auf ihren bevorstehenden Gig vorbereiten. Hinter der Bühne trafen sie sich mit Jürgen und Sédon und kippten einen Jägermeister. Wenig später stand Jürgen am FOH und legte unser Intro in den CD-Spieler. Vor der Bühne warteten über 550 gespannte Leute. Wir rockten gegen 19.00 Uhr mit „Me Again“ und „Never Ending Chain“ los. Es war ein tolles Gefühl, vor so vielen Leuten auf der Bühne zu stehen. Überall blickte man in bekannte Gesichter. Jojo bedankte sich bei den Besuchern fürs Kommen. Da die Stimmung zunächst etwas verhalten blieb, forderte Nippel die Meute beim Song „Here And Now“ zum Springen auf und schon ging’s mächtig ab. Hatten wir im Vorfeld aufgrund der Organisationsarbeit kaum Konzentration für unseren Gig gefunden, so war unsere Anspannung plötzlich wie weggeblasen. Wir zeigten uns in Bestform und rockten souverän durch unser Programm. Zeitweise wurde gesungen und mitgeklatscht, dass es eine wahre Freude war! In Anbetracht der frühen Stunde war die Stimmung mit Sicherheit schon enorm gut. Wir waren jedenfalls sehr zufrieden, als wir nach „The Thing About You“ die Bühne verließen und das Publikum lautstark nach einer Zugabe verlangte. Wir präsentierten „Closer Tonight“. Beim allerletzten Song namens „Just Asking“ schafften wir es, das Publikum in ein klatschendes Meer zu verwandeln. Ein unglaublich schöner Gig! Wir bedankten uns und räumten hochzufrieden die Bühne. Als gastgebende Band hatten wir die Meute bestens auf eine lange Rocknacht eingestimmt. Die Leute waren heiß auf die anderen Combos und so sollte das auch sein…
Wir fanden im Anschluss nur bedingt Zeit, uns die anderen Combos anzuschauen, da es auch nach unserem Gig jede Menge zu tun gab. Die Getränke im Backstagebereich mussten nachgefüllt werden, an der Kasse musste jemand sitzen, Equipment musste durch die Gegend getragen werden und so weiter und so fort. Trotzdem begaben wir uns immer mal wieder auf die Galerie des Stadtforums, um die Shows der anderen Bands zu genießen. Was sich vor unseren Augen abspielte, bereitete uns große Freude! Es soll an dieser Stelle gar nicht erst der Versuch unternommen werden, die nachfolgenden Shows in allen Details zu beschreiben. Jeder Festivalbesucher soll seine eigenen Eindrücke behalten! Es ist ohnehin nur bedingt möglich, ein Rockfestival und die dazugehörige Stimmung in Worte zu fassen. Von daher zu jeder Band nur ein paar Anmerkungen:
Die Kollegen von LAZURIGHT präsentierten neben einem brandneuen Song in erster Linie die Stücke ihrer aktuellen EP „Silver Side Alien Zoo“. Man merkt dem Rock-Vierer aus Tuttlingen und Neuhausen in allen Belangen deutlich an, dass in diesem Jahr jede Menge Shows gespielt wurden. Drummer Tommy und seine Mannen zeigten eine souveräne Vorstellung und große Spielfreude. Die Stimmung im Publikum blieb ähnlich gut wie schon bei unserem Gig und konnte gegen Schluss sogar gesteigert werden. Zu groovenden Stoner-Rock-Riffs und rauem Gesang wurde fleißig Pogo getanzt. Frontmann Gerhard war die Freude bei seinen Ansagen deutlich ins Gesicht geschrieben. Er fand kaum Worte und ließ daher lieber seine Musik sprechen… 🙂
Mit den 5BUGS aus Berlin ging’s ebenso routiniert weiter. Eine absolut spielstarke Band, die das Publikum vor allem durch den ausdrucksstarken Gesang sofort in ihren Bann zog! Neben alten Klassikern wurden auch einige Songs des neuen Albums „Tomorrow I’ll Play God“ gespielt. Soundmäßig war die Show der 5BUGS mit Sicherheit der Höhepunkt des Abends. Die treibenden Drums und die filigranen Riffs tönten dermaßen differenziert aus den Boxen, dass selbst Jürgen und Thimo neidlos anerkannten, dass da ein absoluter Profi am Mischpult stand. Das Publikum ging sehr gut mit. Sogar die hinteren Reihen kamen mehr und mehr in Fahrt.
Mittlerweile waren über 700 Leute anwesend und das Slush Festival somit restlos ausverkauft! Nippel musste an der Kasse mehrere Leute abweisen: „Sorry, wir dürften keinen mehr reinlassen. Nächstes Jahr früher kommen!“ Als die 5BUGS ihren Gig beendet hatten, betraten Jojo und Manne die Bühne, um unter allen Vorverkaufskarten-Besitzern verschiedene Merchandise-Artikel wie CDs und T-Shirts zu verlosen.
Zu guter (!) Letzt enterten ITCHY POOPZKID die Bühne. In Bad Saulgau seit langem keine Unbekannten mehr, bewegten sich die drei Punkrocker auf sicherem Terrain und konnten sich von der ersten Sekunde an auf ein singfreudiges und textsicheres Publikum verlassen. Sibbi, Dani und Tobi holzten dermaßen auf der Bühne rum, dass selbst langjährige Fans ins Staunen kamen. Wie kann man so abgehen und doch so sauber spielen? In der zweiten Hälfte des Gigs kam es zur sogenannten „Wall of Death“. Das Publikum drängte sich nach rechts beziehungsweise nach links und bildete in der Mitte eine freie Gasse. Sobald der dargebotene Song richtig losging, hüpften beide Seiten wie von Sinnen ineinander rein. Trotz der wilden Pogo-Schlacht, hielten sich die Schäden in Grenzen: Ein Mädchen stürzte in Glasscherben. Ein Junge kugelte sich die Schulter aus und musste ins Krankenhaus. Beides für sich mit Sicherheit schmerzhaft, aber in Anbetracht der gewaltigen Stimmung insgesamt doch eher glimpflich. Die Itchys präsentierten auch den ein oder anderen neuen Song ihres Anfang 2007 erscheinenden, zweiten Albums. Zu guter Letzt gab’s den Live-Klassiker „As Long As I Feel Fine“ auf die Ohren, wo gehüpft wurde, als gäbe es kein Morgen! Eine derart ausgelassene Rockkonzertstimmung gab es in Bad Saulgau garantiert noch nie… 😀
Ausnahmsweise soll dieser Gig Review auf seinem Zenith beendet werden, denn wer will nach so einem bombastischen Konzertabend schon von langweiligen Abbauarbeiten hören? Vermutlich keiner, zumal sowieso alles ähnlich lief, wie beim Aufbau…
Jojo, Nippel, Sédon und Jürgen verbeugen sich tief vor folgenden Leuten: Holger, Thimo, Stefan, Nadja, Alexandra, Moni, Carina, Stefan W., Jonne, Getsch, Thomas Friedrich, Dieter Braun, Magge, Karle, Schaf, Miche Hepp und der Schwäbischen Zeitung, Henning & allen anderen Fotografen, unseren Müttern, Olli & dem TBG-Team, Manne, Gaisi & seinem Team, Flori & seinem Kollegen, dem MIDNIGHT SPECIAL-Mann, dem Türschließer und allen Flyer-Verteilern. Du hast zum Gelingen des Slush Festivals beigetragen und wurdest bei dieser Aufzählung vergessen? Unter beschwerden@coleslaw-music.de kannst du deinem Unmut freien Lauf lassen! Ernsthaft! 🙂
Großer Dank geht an die Jungs von LAZURIGHT, ITCHY POOPZKID und 5BUGS für ihre arschtretenden und professionellen Shows.
Am meisten möchten wir jedoch jedem einzelnen Besucher des Slush Festivals danken! Durch euren Support habt ihr diesen Abend zu etwas ganz Besonderem gemacht! Wir sind überwältigt von der bombastischen Resonanz! Dank euch dürfte einer Neuauflage des Slush Festivals eigentlich nichts im Wege stehen, aber alles zu seiner Zeit… 😉
„Die Klimaerwärmung schreitet voran.“
Da es in der zweiten Jahreshälfte von 2006 kein einziges Mal richtig geschneit hat, können wir dem nur zustimmen. Der Name „Slush Festival“ [„Slush“ ist ein englisches Wort und bedeutet so viel wie Schneematsch] war dieses Jahr also nicht gerade passend…
„In Bad Saulgau ist doch eh nix los.“
Spätestens seit dem Slush Festival dürfte klar sein: Das ist Schnee von gestern…